Die spinale Charcot Arthropathie (SCA) ist eine sehr seltene progressive degenerative Störung der Wirbelgelenke. Diese entwickelt sich aufgrund einer reduzierten afferenten Innervation. Obwohl jedes Gelenk ein Charcot-Gelenk werden kann betrifft die Erkrankung meist die Gelenke der unteren Extremitäten. Die Wirbelsäule ist nur bei 6-21% der Patienten mit dieser Erkrankung betroffen. Ursprünglich wurde diese Pathologie als Folge einer Tabes dorsalis (Quartärstadium der Syphilis (Lues)) beschrieben. Heutzutage tritt die SCA am häufigsten nach Rückenmarksverletzungen auf. Die propriozeptiven und nozizeptiven Störungen führen aufgrund der damit einhergehenden verminderten Muskelkontraktionen zu Mikrotraumen und fortschreitenden Degeneration von Knorpel und Bandscheiben. Die thorako-lumbalen Wirbelkörperhöhen sind am meisten betroffen wobei es zu Frakturen, Gelenkinstabilitäten, Fehlstellungen, Subluxationen und Dislokationen kommen kann. Neurologische Funktionsstörugen und Schmerzen sind Folgen einer solchen Erkrankung.

Epidemiologie

In bis zu 70% etwickelt sich die spinale Charcot Arthropathie als Folge einer spinalen Verletzung. Weniger häufige Gründe sind in unten stehender Liste aufgeführt. Die geschätzte Prävalenz der SCA, welche sich nach einer spinalen Schädigung entwickelt, liegt bei ca. 1 zu 220. Die Inzidenz der SCA beträgt in den USA 54 pro 1 Million. Am häufigsten tritt die Erkrankung im der fünften Lebensjahrzehnt auf, Männer sind häufiger betroffen (whs. aufgrund der häufiger vorkommenden Schädigungen des Myelons nach Trauma).

Weitere Risikofaktoren und Prädispositionen
  • Syringomyelie
  • Meningo(myelo)zele
  • Medulläre AV-Malformation
  • Parkinson-Krankheit
  • Myelitiden
  • Charcot-Marie-Tooth-Krankheit
  • Langstreckige Fusion (>5)
  • Diabetische Neuropathie
  • Lues / Syphilis
  • Ankylosierende spinale Hyperostose
  • Laminektomien
  • Friedreich Ataxie

Klinik

Die Symptome bei Patienten mit SCA sind unspezifisch. Zu den häufigsten Symptomen gehören Rückenschmerzen, Instabilität der Wirbelsäule v.a. beim Sitzen, Wirbelsäulendeformitäten  (typischerweise Kyphose), und hörbare Geräusche wie Knacken oder Knirschen der Wirbeläsule während Bewegungen. Rückenschmerzen können ggf. auch als Folge einer begleitenden autonomen Dysreflexie proximal der Läsion herrühren.

Radiologische Befunde

In der CT Bildgebung können sich teils große Osteophyten bilden sowie Knochenfragmenttrümmer, verursacht durch juxta-artikuläre Knochenzerstörung und paraleller Knochenneubildung. Gaseinschlüsse im Zwischenwirbelraum sind häufig und auf die erhöhte Beweglichkeit auf dem Segment zurückzuführen. Degeneration der Facettgelenke treten damit einhergehend auf. Antero- oder Retrolisthesen sind ebenfalls typische radiologische Merkmale.
In der MR Bildgebung zeigen sich aktive Umbaustrukturen mit ggf. deutlichem Enhancement, T2 Hyperintensität sowie möglicherweise Knochenmarks- oder Facettgelenksödeme mit Destruktion.

Differentialdiagnosen

  • Metastasen (ossär, osteoblastisch)
  • Infektionen (Spondylodiscitis)

Operationsindikation

Aufgrund der Rarität der Erkrankung gibt es keine Studien mit hoher Evidenz. Die Richtlinen leiten sich von Case-Reports und systematischen Revies ab. Das Ziel der Behandlung während des aktiven Krankheitsprozesses ist die Ruhigstellung der betroffenen Gelenke, um Frakturen und ein Fortschreiten von Deformitäten zu verhindern.
Das konservative Therapiemanagement der spinalen Charcot Arthropathie mit Orthesen wird zwar in der Literatur erwäht, hat jedoch einen untergeordneten Stellenwert. Bei alten, nicht operationsfähigen Patienten ist die Versorgung mit Orthesen die einzige Möglichkeit. Junge Patienten mit wenig Schmerzen oder/und nur diskreten neurologischen Defiziten können in der Anfangsphase mit Ruhigstellung versorgt werden. Regelmässige Verlaufskontrollen sind hier aber nötig um eine mögliche Progresssion frühzeitig zu erkennen. Die ergänzende Gabe von Bisphosphonaten wird in der Literatur diskutiert.
Die chirurgische Sanierung im Sinne einer Spondylodese über die betroffenen Segmente wird heutzutage als Therapie der Wahl angesehen. Eine alleinige posteriore Fusion (z.B. MIS= minimal invasives Management) ist möglich. Eine 360°-Fusion (Wirbelkörper Ersatz & posteriore Fusion) mit Débridement der zerstörten Wirbelkörper, Gelenks- und Bandscheibenstrukturen wird jedoch empfohlen. Die zusätzliche Gabe/Therapie mit BMP (bone morphogenetic protein) erhöht die Fusionsrate v.a. bei 360°-Fusionen. Der chirurgische Ansatz ist jedoch abhängig von der Vorliebe und Ausbildung des Chirurgen.

Outcome

Es existieren keine Langzeitdaten um eine genaue Aussage bezüglich des Outcomes nach operativer Sanierung bei spinaler Charcot Arthropathie zu machen. Das Versagen der Spondylodesen und folglicher Sanierung bei alleiniger posteriorer Fusion wird in der Literatur auf ca. 50-60% geschätzt. Bei Versorgung durch eine 360°-Fusion sind in ca. 30% Revisionsoperationen nötig. Aufgrund der Komplexität dieser Erkrankung sollte für jeden Patienten eine individuelle Strategie erarbeitet werden. Hierbei müssen die Schwere der Symptome, der funktionellen Störungen, die funktionelle Kapazität des Patienten und wie die chirurgische Behandlung die Autonomie des Patienten postoperativ beeinträchtig berücksichtigt werden.

Autor(en) des Artikels

  • Dr. med. D. Schöni, Facharzt für Neurochirurgie, executive MBA HSG

Referenzen

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